Poetica 5:
Rausch. States of Euphoria.

Information · Klappentext · Vorwort · Rezensionen · Inhalt

Information

Gedichte, Prosa, Essays · Herausgegeben von Aris Fioretos · Tübingen: Konkursbuch Verlag, 2019, 152 Seiten · ISBN: 978-3-88769-698-6

Klappentext

Seit ihren Anfängen sucht die Poesie daher die Nähe zum Rausch. Einst »Höhenflug« genannt, geht die Entzückung heute auch als »high« durch. Jemandem, der höhere Geisteszustände erreichen möchte, scheint jedes Mittel recht. Zum Zauber des Musenkusses sind inzwischen die Gedankengirlanden des Opiums, die Kicks des Kokains, das Happy Face von Ecstasy als Förderer hinzugekommen. Aber wo befindet sich die Poesie, wenn sie derart »außer sich« ist? Wie sieht eine Sprache des Kontrollverlusts aus? Und gibt es sie wirklich: die künstlichen Paradiese?

Gedichte, Prosa und Essays von Günter Blamberger, Mircea Cartarescu, Oswald Egger, Aris Fioretos, Christian Kracht, Mara Lee, Lebogang Mashile, Agi Mishol, Ernst Osterkamp, Marion Poschmann und Jo Shapcott.

Vorwort

»Man kann auch in die Höhe fallen, so wie in die Tiefe«
(Friedrich Hölderlin)

Was wäre die Dichtung ohne den Himmel? Keine Poesie ohne Jubel, Exaltation, Hingerissenheit. Inspiration und Euphorie gehören zur Grundausstattung, das Streben in die Vertikale bleibt Programm. Seit ihren Anfängen sucht die Poesie daher die Nähe zum Rausch. Einst »Höhenflug« genannt, geht die Entzückung heute auch als »high« durch. Jemandem, der höhere Geisteszustände erreichen möchte, scheint jedes Mittel recht. Zum Zauber des Musenkusses sind inzwischen die Gedankengirlanden des Opiums, die Kicks des Kokains, das Happy Face von Ecstasy als bedenkliche Katalysatoren hinzugekommen. Aber wo befindet sich die Poesie, wenn sie derart »außer sich« ist? Wie sieht eine Sprache des Kontrollverlusts aus? Und gibt es sie wirklich: die künstlichen Paradiese?

Wenn das Beflügeltsein einen Schatten hat, dann ist es der Tiefsinn. Denn was wären die Worte ohne die Schwerkraft, diese Anziehung durch die Welt der irdischen Affekte und Gegenstände? Die Dichtung mag abheben, löst sich aber nie aus der Atmosphäre. Um mit dem schwedischen Nobelpreisträger Tomas Tranströmer zu reden: Es gibt Tage, an denen »ein Kilo 700 Gramm wiegt, nicht mehr«. Wären die restlichen 300 Gramm das Gewicht der Poesie?

 

Seite 9.

Rezensionen

»Was bleibt vom Rausch übrig, ekstatischer Selbstverlorenheit, freischwebendem Glück, der Euphorie womöglich, wenn man darüber spricht? . . . Was, wenn man dazu noch nicht einmal direkt über den Rausch spricht, sondern vermittelt über die Literatur? Immerhin wird ihr nachgesagt, sie eigne sich als Medium exaltierter Geisteszustände. Aber, das scheint entscheidend, in der Regel als Droge, die der Junkie mittels Lektüre konsumiert, einsam, in der Ecke liegend, passed out auf einem Sofa, das Buch im Arm wie der Heroinabhängige Gummiband und Spritzbesteck. Stattdessen sitzen vorn Aris Fioretos, polyglotter Schriftsteller, der fließend auf Deutsch und Englisch parliert, hellwach und picobello angezogen, der Stoff des klassischen Anzugs umschmeichelt den augenscheinlich drahtigen Körper, die Haare zurückgek.mmt, ein Jeremy Irons der schwedischen Literatur, in deren Heimat er geboren wurde als Kind österreichisch-griechischer Eltern. Und neben ihm Christian Kracht, womöglich der kosmopolitischste Schweizer der Gegenwart, zumindest der Gegenwartsliteratur, Gestalter traumhafter Gegenwelten, durch die Picaros mit reinem Herzen irren, auf der Suche nach Erlösung. Das haben sie mit dem Kölner Uni-Hörsaal gemein, das heißt, die Sehnsucht nach Erlösung, nicht so sehr die Bewegung.« – Jan Klüweler, Die Welt

»Damit hatte man offenkundig nicht gerechnet: Der Andrang bei der Eröffnungsveranstaltung der ›Poetica 5‹ ist so groß, dass der Raumteiler, der die Aula 2 der Kölner Universität auf ihre halbe Zuschauerkapazität verkleinert, wieder hochgefahren werden muss. Dadurch verzögert sich alles ein wenig, aber es gibt schlimmere Probleme für ein Poesiefestival als ein unerwartet großes Publikumsinteresse. Veranstalter wie Zuschauer nehmen es jedenfalls mit der

gebotenen heiteren Gelassenheit.« – Alexander Menden, Süddeutsche Zeitung

»Wann führt Literatur zu körperlichen Reaktionen, und – wie kann der/die AutorIn diese evozieren? [Aris Fioretos] nähert wird sich der Frage über Auszüge aus Edgar Allan Poes Erzählung Das verräterische Herz, die von Schauspieler Philipp Pleßmann gelesen werden . . . Fioretos entdeckte diesen Text als Zehnjähriger und machte erstmalig die Erfahrung, dass ein Text eine körperliche Reaktion in ihm auslöst – Gänsehaut, Erschütterung, eine magische Anziehungskraft. Beim Lesen stelle sich ein Zustand des Zeitvergessens ein. Denis Scheck lenkt ein, als ›Zocker‹ kenne er das eher vom Kartenspielen. Gelächter im Publikum. Die Moderation durch den Fernseh-Literaturkritiker Scheck tut dem Abend gut. Durch kleine, humorvolle Einschübe lockert er die Stimmung auf und nimmt gleichzeitig den Ausführungen von Fioretos nie den Raum. Von Beginn an genießt Fioretos, der bislang bei jeder Veranstaltung der Poetica auch als Moderator tätig war, das Gast-Sein – und erzählt anregend und distanzlos. Auf die Frage Schecks, wie ein Autor denn diesen Leserausch erzeugen könnte, antwortet Fioretos ohne zu zögern: ›Es ist ein wenig wie beim Geschlechtsverkehr. Es sollte nicht direkt zur Sache gehen, zunächst müssen die erogenen Zonen erweckt werden.‹« – Anna Westkämper, Stellwerk

»Die Poetica widmet sich Fragen aus Literatur, Poesie und Wissenschaft, stets mit einem Hang zu drängenden gesellschaftspolitischen Themen. Dieses Jahr dreht sich alles um Sehnsucht, Euphorie und Exzess, sowohl im Prozess des Schreibens als auch für den Moment des Lesens. Die einen greifen im Schaffensrausch zu Substanzen, andere widmen sich nüchtern tiefsten menschlichen Gefühlen und Sehnsüchten. . . . So auch das Gespräch und die Lesung mit Aris Fioretos. . . . Mit feinen Antennen und viel Sprachgefühl gelingt es ihm, das Publikum binnen weniger Minuten in einen ›Rausch‹ zu ziehen.« – Christiane Wollmann, Choices

Inhalt

Aris Fioretos: Vorwort

S. 9

Ernst Osterkamp: Abenddämmerung

S. 11

Mircea Cărtărescu: Die Liebe

S. 19

Mara Lee: Der Hass und die Liebe (Auszug)

S. 33

Oswald Egger: So gesehen

S. 41

Lebogang Mashile: Bones / Knochen
Vulva Volcanoes / Vulkanische Vulven

S. 49

Agi Mishol: Ein Gedicht schreiben
/ Offenbarung

S. 61

Christian Kracht: Masahikos Traum vom Feuer

S. 75

Marion Poschmann: Hundenovelle (Auszug)

S. 85

Jo Shapcott: A Bubble Stem of Grace / Anmut in
einem Sprechblasenhals. Bodywork / Körperarbeit
I Tell the Bees / Ich teile Bienen mit

S. 93 

Aris Fioretos: Kärleksförklaring till fröken Ur /
Liebeserklärung an Fräulein Uhr
Gänsehautelegie – Die Pilotin im Bad

S. 105

Günter Blamberger: Tonisches und Toxisches. Über Rausch und Kunst

S. 119

Marta Dopieralski: Noch einen Kurzen

S. 139

Beiträgerinnen und Beiträger

S. 144