Verabredungen.
Gespräche und Gegensätze über Jahrzehnte

Information · Klappentext · Auszug · Rezensionen

Information

Mit Durs Grünbein · Berlin: Suhrkamp, 2013, 252 Seiten, viele Abbildungen · Umschlagabbildungen: Thomas Florschuetz · ISBN: 978-3-518-42388-2

Klappentext

Es begann mit einem Gespräch am Küchentisch. Mitte der 90er Jahre entdeckten Aris Fioretos und Durs Grünbein ihre Freude am fortgesetzten Dialog. An verschiedenen Orten im In- und Ausland trafen sie sich zum konzentrierten Wortwechsel, zeichneten das Ergebnis auf und schrieben gemeinsam an einem Protokoll, das sie ihre Verabredungen nannten. Ergänzt wurde dieses Konvolut in späteren Jahren von einer lebhaften Korrespondenz aus Ansichtskarten. So entfaltete sich mit der Zeit ein Fragebogen zur Person des einen wie des anderen Autors. Entstanden ist daraus ein Freundschaftsbuch zweier europäischer Sprachwanderer.

Ja, gewiß gehört ein Verstehen zur Freundschaft, aber keines der Art, daß der eine immer weiß, was der andere sagen will; nein, zur Freundschaft gehört gerade, daß der eine nie weiß, was der andere sagen will…

– Søren Kierkegaard

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DURS GRÜNBEIN, geboren 1962 in Dresden, Dichter und Essayist, lebt in Rom und Berlin. Neben anderen Auszeichnungen erhielt er den Georg-Büchner-Preis, den Friedrich-Nietzsche-Preis, den Friedrich-Hölderlin-Preis, den italienischen Pasolini-Preis und den schwedischen Tomas-Tranströmer-Preis. Zuletzt erschien bei Suhrkamp sein dreizehnter Gedichtband, Koloß im Nebel (2012).

ARIS FIORETOS, geboren 1960 in Göteborg, Romancier und Übersetzer, lebt in Stockholm und Berlin. Er erhielt eine Mehrzahl Auszeichnungen, darunter den Kellgren-Preis der Schwedischen Akademie und den Literaturpreis der SWR-Bestenliste. 2010 legte er im Suhrkamp Verlag seine Nelly-Sachs-Biographie Flucht und Verwandlung vor. Im Frühjahr 2013 erschien der Prosaband Die halbe Sonne im Carl Hanser Verlag.

Auszug

Viele Jahre später.

DER EINE Erinnerst du dich an die Nacht in Las Vegas?

DER ANDERE Ungern…

DER EINE Wie durch ein Wunder hatten wir uns aus der Wüste gerettet. Die Erleichterung machte uns zittrig vor Glück, und wohl auch ein bißchen übermutig. Nachdem wir in ein Motel eingecheckt hatten, war der Teufel in dich gefahren. Oben auf einem der Luxushotels der Stadt hattest du etwas entdeckt, das wie eine Raketenrampe aussah.

DER ANDERE The Stratosphere Tower. Hundert Stockwerke über dem Bürgersteig ragte ein Gott weiß wie hoher Turm auf. Dort hinauf wurden jeweils vier mal vier Personen befördert. Ich erinnere mich nicht mehr, mit welcher Geschwindigkeit – war es das Zwei- oder Dreifache der Erdanziehungskraft? Kaum war einem das Herz in die Hose gerutscht, als auch schon die Elevation in den freien Fall umschlug.

DER EINE Es war, als hätte man uns in den Himmel geschossen. Eine Sekunde vorm Abkoppeln stürzten wir wieder auf den Erdboden hinab.

DER ANDERE Ein Alptraum.

DER EINE Neben uns saßen zwei Collegemädchen. Sie lachten sich halb tot, als die Lautsprecher-Stimme den Passagieren befahl, den Kopf nach hinten zu lehnen, die Arme auf der Brust zu verschränken und die Füße zusammenzupressen. Sie waren erregt und erwartungsvoll wie vor einem erotischen Abenteuer; wir beide gehorchten folgsam wie Hunde den Anweisungen. Wir benahmen uns, als würden wir nur noch unsere Hinrichtung erwarten.

DER ANDERE Wie ich schon sagte: ein Alptraum. Sehr peinlich.

Seite 60.

Rezensionen

„In diesem deutsch-schwedischen Freundschaftsbuch geht’s um Adorno, Kafka, Karl May, Kindheitsträume und um die Frage, ob der Roman nun bald tot sei oder nicht. Für Leute, die Wissen schätzen.“ – Der Kurir

„Eine Mischung aus Phantastik und exakter Wissenschaft, kühlem Essay und funkelndem Esprit . . . So wie hier, in diesem funkenschlagenden Gesprächsband, über Literatur gesprochen wird, ist das sofort selbst und primär Literatur[.]“ – Helmut Böttiger, Süddeutsche Zeitung

„Wer sich auf geistige Höhenflüge einstellen mag, wird sich an [diesen] Dialogen berauschen. Enzyklopädisch gebildet, ohne Scheu vor dem gewagten Satz, der großen Geste, ist den beiden gelehrten Poeten nichts fremd und nichts zu fern, um es nicht in Anschlag zu bringen.“ – Christian Metz, Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Die Gedankenbahnen, auf denen Grünbein und Fioretos unterwegs sind, gleichen Sprungschanzen. Fasziniert verfolgt man, wie sie zunächst Anlauf nehmen, um dann zu geistigen Höhenflügen abzuheben. Dass sie es aber verstehen, in jenen Gegenden zu landen, um die das eigene Denken kreist, gehört zu der beglückenden Erfahrung, die man bei der Lektüre dieser, in der Tradition der klassischen Philosophie stehenden Dialoge macht.“ – Michael Opitz, Deutschlandradio Kultur

Verabredungen ist ein grandioser, hoch und weit zielender Schlagwechsel des Geistreichtums. . . . Jeder sieht im jeweils anderen den kongenialen Sparringpartner, an dessen Ausdruckskraft sich das eigene Denkvermögen entzündet. Das Gespräch als glückliche Heimkehr ins Selbstgespräch; nicht zueinander reden, sondern miteinander, voreinander. Schöne Ferne von Überzeugungsfuror oder Argumenteneifer. Weltbeobachtung statt Weltanschauung. . . . [S]o etwas wie dieses Buch, so etwas wie diese ausgesprochene rare Art, in der sich Menschen aufeinander beziehen, wirkt wie ein beruhigender, tröstlicher Adel . . . Du liest dich hinein in ein blitzendes Repertoire der dialogischen Bindungsstärke zweier unabhängiger Geister. . . . Aus diesem Buch kommt ein Zittern des so wunderbar verfänglich Offenen. Das sich im dialogischen Denken zum Einzigen formt, das dieses Leben hält: zur Feier der Fantasie.“ – Hans-Dieter Schütt, Neues Deutschland

„Stupend ist die Fähigkeit beider Autoren, Assoziationen zu erwecken, Visionen zu schaffen, die richtigen Zitate am richtigen Ort zu nenen und mal ernst, mal autoironisch über sich selbst und das eigene Werk zu reden. . . . Verabredungen ist ein glückliches Buch, der Ausdruck einer langjährigen Freundschaft und eines sehr produktiven literarischen und menschlichen Austausches.“ – Daniele Vecchiato, Literaturkritik

„Wer sich an Intelligenz nicht stört, wer Wissen zu schätzen weiß, der wird seine Freunde an dem Band haben. Sie wird gewürzt durch einen selten anzutreffenden Witz. Jene Art nämlich, die nicht erzählt, sondern praktiziert wird.“ – Arno Widmann, Frankfurter Rundschau