Ein Gericht am besten kalt serviert
18.xi.20
Ein qualvolles Gefühl, seinen eigenen Text von einer Stimme im Radio gelesen zu hören, die im Gesagten nicht verwurzelt ist. Wo ich einen sachlichen, aber verdichteten Tonfall erwarte, ist knarzende Neunmalklugheit zu hören. Wichtige Sätze, die Ruhe und Timing erfordern, verlieren ihre Bedeutsamkeit durch unmotivierte Heiterkeit. Und über die Momente der Stille, die verschlampt werden, wollen wir lieber schweigen. Die Stimme, die gerade im Radio spricht, wirkt vollkommen blind.
Trotzdem laufen meine Ohren nicht rot an, wie sie es einst bei dem Schuljungen taten, der vor Indignation bebend nicht mehr genug Platz im eigenen Körper fand. Ihm war versprochen worden, am letzten Schultag ein Gedicht vortragen zu dürfen, stattdessen erklärte die Lehrerin, sie beabsichtige, auf der elektrischen Orgel zu spielen. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Niederlage in der Grundschule wundere ich mich nicht. Und so mache ich mit dem Gerät, was ich mit der Orgel in der Aula nicht zu tun vermochte: ziehe den Stecker.