Kohlensäure*

Text · Spritz, 2021, No. 3, S. 379–381


»Jedes Mal, wenn du den Mund öffnest, denke ich: Gott, wie lange wird das dauern?«

Ich akzeptiere die Leere. Ich weiß nicht, ob sie mich akzeptiert.

die Watte im Himmel

»Ich weigere mich, verletzt zu sein. Was denkst du, was ich fühlen soll?«

»Normale Gefühle. Schmerz, Reue, Liebe.«

»Sprich Deutsch, damit ich dich verstehe.«

eishelle Augen

»Du siehst aus wie eine böse Puppe.«

»Vielen Dank.«

Er bewegte sich langsam durch sirupträge Trauer.

»Wasche dein Gehirn!«

Sie presste die Handflächen auf die Wand, so dass die Musik durch ihre Hände lief und die Arme füllte.

Dann übernahm das Feuer. Das Papier wurde zusammengeknüllt, als wäre es eine Faust, jedoch wieder geöffnet. Eine Blüte aus Ruß.

»Why you go there, mister? Why? People not go there, people go from there.«

Material lügt nicht.

Hoppla, was für Idioten.

Gerechtigkeit ist wie ein Orgasmus: Sie kann nicht zu spät kommen.

Mein Herz ist randvoll – mit Kerosin, Unruhe, Mirakel.

Sie strich mir über den Kopf, ich dachte immer, dass sie meine Gedanken löschte.

der Körper schwindend wie eine Erinnerung

dein wildes Mitleid

»Du sagst nicht viel, was? Ich habe längere Gespräche mit einem Papagei geführt.«

das vergessenste Mädchen der Welt

Und ich, geil wie ein Hund, Baby.

Er hat kleine Büschel auf den Ohren und misstrauische, eng stehende Augen – wie ein Professor in irgendeinem obskuren Fach, Paläontologie, glaube ich.

erstarrt zu einer schrecklichen Blume

Sie zittert wie eine Kompassnadel.

»Ich weiß, dass der Pfarrer uns bittet, die andere Wange hinzuhalten. Aber es gibt nur eine begrenzte Zahl von Wangen pro Tag.«

mit Pupillen, als hätte er eine ganze Stadt im Kopf – glitzernd, fern

Er schimpfte sie – durchaus talentiert – aus.

Die Tasten des alten Klaviers, gelb wie ungeputzte Zähne.

die Schwere im Kopf: mineralisch

krankes, krankes Mondlicht

»Weißt du, das dauert zu lange.«

Sie bewahrte seine Verwirrung mit dem der Qual eigenen Recht.

ein Gehirn wie skulptierte Grütze

»Das lässt sich nicht sagen, diese Worte sind noch nicht erfunden worden.«

* Vor mehr als einem halben Leben begann ich, Formulierungen aufzuschreiben, die mir einfielen. Ich nenne sie Kohlensäure. Es gibt immer Stellen in Büchern, an denen ihr Zischen nützlich sein kann. Genau wie Getränke benötigen auch Texte gelegentlich Spritz. Hier folgen einige dieser – noch unbenutzten – Wörter und Phrasen, die eines Tages möglicherweise über einer Zeile knistern werden, Asterisken gleich.