Die Hüften der Großmutter

Antrittsrede · Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung · Frühjahrstagung, Stockholm · 13. Mai 2011 · Lange Fassung


Morgens hörte er seine Großmutter besonders deutlich. Während er sich den Schlaf aus den Augen rieb, räumte sie in der Küche. Als erstes öffnete sie das Fenster hinter den Steinen und Holzstücken, die sie bei ihren Besuchen in Schweden sammelte. Anschließend drehte sie den Hahn auf und füllte einen Topf mit Wasser. Tick-tacktick-tack klang es, wenn sie über den Küchenboden ging. Die Fliesen verdeutlichten ihre Schritte – von der Spüle zum Gasherd, der bald aufzischen würde, zum tresorähnlichen Kühlschrank und zurück zum Küchentisch in der Nische zum Hinterhof. Ihre Bewegungen waren ruhig und überlegt, den Geräuschen entstieg eine sachliche Wärme, die das sechsjährige Enkelkind mit der Geborgenheit verband, die es in ihrer Wohnung fühlte. Tick-tacktick-tack … Den Schritten konnte er entnehmen, wie lange er noch im Bett liegen bleiben durfte, unter dem riesigen Daunenplumeau, das eigentlich ein warmer Gletscher war. Jetzt stellte die Großmutter die selbstgemachte Aprikosenmarmelade heraus, gleich würden die handgebackenen Semmeln und Salzstangen aus der Papiertüte geschüttelt werden. Danach würde sie die Zeitung vom Vortag aufschlagen, die noch auf dem Tisch lag, und während sie nach geeigneter Lektüre suchte, seinen Namen rufen.

Solange er denken konnte, hatte seine Großmutter Probleme mit den Hüften gehabt. Niemals sah man sie ohne Stock. Sie bewegte sich mit einem stoischen Lächeln auf den Lippen, das sich weitere Fragen verbat. Die Nylonstrümpfe verrutschten häufig an den Schienbeinen, ihre Schuhe waren zugeschnürt und stets blankgewienert. Sie besaß ein Paar braune und ein Paar schwarze, beide mit flachen Absätzen. Die zusammengepressten Reihen der Ösen liefen in einer eleganten Kurve über den Spann, zur strengen Schleife der Schnürsenkel hinauf. Die Löcher erinnerten an die Spuren, die von den Pferden hinterlassen wurden, als sie die Spanische Hofreitschule besuchten. Vielleicht bildeten sie eine Piaffe, oder war es eine Passage? Die Absätze sorgten jedenfalls dafür, dass er immer wusste, mit welchem Fuß sie auftrat. Ein helles tick bedeutete links, ein dumpfes tack rechts.

Die mühevolle Würde, mit der die Großmutter sich bewegte, wurde dadurch verstärkt, dass die Arthrose sie zwang, mit geradem Rücken zu gehen. Ihre Kleider, die sie selbst nähte, waren stets weit genug, um die Körperformen nicht unnötig zu betonen. Im Grunde sah er die üppigen Hüften nur, wenn sie das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß verlagerte. Tatsächlich ähnelten sie denen eines Pferds. Das graue Haar trug sie im Nacken hochgesteckt – manchmal in einem French twist, meistens jedoch in einem schneckenförmigen Dutt. Am Hals hing eine mit den Jahren nachgedunkelte Goldkette, auf die sie die Trauringe gefädelt hatte. Broschen waren verbannt.

Als junge Frau hatte die Großmutter ihre Haare zu einem üppigen Seitenscheitel gekämmt. Auf den Bildern, die er im Fotoalbum studierte, wurde ihr Gesicht ausnahmslos von einem breiten Lächeln geziert. Die Zähne glänzten kräftig und weiß, neben dem linken Schneidezahn sah man eine Lücke. Später saß dort ein Goldzahn. Die Augen waren oval und ein wenig schräg, der Blick freundlich, aber bestimmt. Ihr Äußeres hatte etwas Reptilartiges, das von den angewinkelten Augenbrauen und der hervortretenden Nase zusätzlich betont wurde. Auf seinem Lieblingsbild posierte die Großmutter mit einigen Freundinnen. Sie war die vierte von links. Ein Bein über das andere geschlagen und den Ellbogen in den Schoß der jeweiligen Nachbarin gelegt, saßen die Frauen auf einer Balustrade. Es musste in den zwanziger Jahren gewesen sein. Sie hätten Tiller Girls in einer Mittagspause sein können. Die Körperhaltung sagte: „Nimmst du eine, bekommst du alle.“ Er wusste nicht, wer die übrigen Personen waren, fand aber, dass seine Großmutter den Mittelpunkt bildete. Obwohl sie nicht in der Mitte saß, zog sie die Blicke auf sich. Schlank und versammelt, elegant gekleidet in einem dunklen Kostüm mit weißer Bluse darunter, wirkte sie wie ein Mensch, den nichts aus der Fassung bringen konnte.

Vielleicht hatte der Großvater das Foto gemacht. Einige Jahre zuvor hatte er eine Anzeige in die Zeitung gesetzt. Er suchte Näherinnen für eine Manufaktur, die er gründen wollte. Was Großmutter veranlasste, auf die Anzeige zu antworten, ist unklar. Sie arbeitete bereits in einer der vornehmen Schneidereien am Graben. Vielleicht lockte sie die Aussicht, der Produktion selbst entworfener Kleider zu bezahlbaren Preisen für die neue Berufsgruppe der modernen Metropole, die Sekretärinnen, vorzustehen. Als sie sich einfand, hätte sie allerdings am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht. Die Räume lagen zwar zentral in einer Stichstraße zu einer der großen Einkaufsmeilen, aber die Gemüsehändler und Metzgereien in der Nachbarschaft zeigten, dass sie sich weit entfernt von den Nobelvierteln um den Graben befand. Der Großvater öffnete ihr im Mantel. Distinguiert führte er seine zukünftige Ehefrau in einen ausgekühlten Raum, in dem etwa zwanzig gebrauchte Nähmaschinen standen. Es stellte sich rasch heraus, dass er keine Ahnung hatte, wie sie funktionierten. Vielleicht war es diese Hilflosigkeit, die sie zum Bleiben bewegte. Die Geschäftspläne wurden umgehend zu den Akten gelegt, aber vorher erfüllte die Firma noch ihren historischen Auftrag und führte eine junge Näherin und einen fünfzehn Jahre älteren, arbeitslosen Herren zusammen. Vierzig Jahre später erinnerte nur die Nähmaschine im Arbeitszimmer, wo das Enkelkind schlief, an die Manufaktur.

Den Daunengletscher bis zum Kinn, horchte er darauf, wie dem leichten Fuß der schwere folgte. In seinen Ohren markierten die Laute die Zeit vor und nach dem Krieg – wie Akut und Gravis. Er wusste, dass die Großmutter sich bei einem alliierten Bombenangriff die Hüfte gebrochen hatte. Im tick hörte er dementsprechend die leichte, methodische Präzision, mit welcher sie vor dem Unglück die Abendgarderoben der Damen aus den vornehmeren Kreisen Wiens genäht haben musste. Über die kostbaren Stoffe gebeugt, mit dem linken Fuß das Pedal unter der Maschine tretend, sicherte sie den Lebensunterhalt für ihre wachsende Familie. Aus dem tack hörte er dagegen die schweren Jahre heraus, die folgten, als sich das Kriegsglück wendete und ihr Gatte an Magenkrebs gestorben war. Als die Witwe sich im Winter 1945 die Hüfte brach, hatten die Krankenhäuser anderes zu tun, als Zivilisten zu versorgen. Das Gelenk wuchs falsch zusammen. Nach dem Krieg tat sie alles, was in ihrer Macht stand, um als Näherin drei Kinder durchzubringen, aber die Einkünfte waren mager und an Ausruhen nicht zu denken. Die Probleme wurden chronisch. Zur Fraktur gesellte sich Arthrose.

Der Unterschied zwischen den Jahren vor und nach dem Unglück war nicht das einzige, was das Enkelkind in ihren Schritten zu hören glaubte. Ebenso akut wie grav, ließen die Akzente der Absätze ihn auch an das Deutsch denken, das seine Großmutter sprach und er bei den Nonnen in Nôtre Dame de Sion verbessern sollte. Irgendwie verknüpfte er die Verankerung der Kiefer mit den Hüftgelenken. Ein Mensch mochte den Raum mit Hilfe seiner Füße durchmessen, aber in der Sprache bewegte er sich mittels seiner Zunge. Wenn er sprach, markierte tick die perfekte Aussprache, tack die defekte. Im ersten Laut fasste das Enkelkind ein Idiom auf, von Lippen und Zunge wie zum ersten Mal berührt – eine jungfräuliche Mundart, ewig akut, die es in den Büchern mit Goldschnitt in der Bibliothek des Großvaters wiederfand. Dort zeigte die Frakturschrift in Nietzsches gesammelten Werken, dass jeder Buchstabe eine Frage der Haltung war. Im zweiten Laut nahm er eher eine Störung wahr – grav und abweichend, schlimmstenfalls eine Anomalie. Korrigierten die Nonnen im Kindergarten ihn etwa nicht, wenn er aus Ärger über etwas unbeherrscht schrie? Das Brennen in dem Ohr, an dem sie zogen, war alles, was er spüren musste, um zu wissen, dass es bei einer korrekten Aussprache darum ging, die Balance zu halten.

Als Sechsjähriger hätte er diese Eindrücke so wenig formulieren können, wie er die Spekulationen verständen hätte, denen er sich im späteren Leben widmete. Gleichwohl lösten die Hüften der Großmutter eine intime Art von Schock aus. Das Geräusch der Absätze erinnerte ihn an etwas, was er letztlich immer schon gewusst hatte: Es gab Menschen, die sprachen, als wären ihre Kiefer einmal ausgerenkt gewesen. Der fremde Akzent bewies, sie hatten etwas Ähnliches erlebt wie das, was der Großmutter im Krieg widerfahren war – einen derart radikalen Bruch, dass jeder Schritt, den sie in der neuen Sprache machten, die Fraktur belegte. Wenn seine Eltern Schwedisch sprachen, nahm er die fremden Bewegungsmuster doch wahr. Er hörte die Verben, die automatisch ans Ende der Sätze gestellt wurden oder diese lustig nachgestellten Pronomen. Er hörte das rollende R aus dem Deutsch der Mutter, die sanften Konsonanten aus dem Griechisch des Vaters. Und er hörte, wie sich die Zungen in ihren Mündern auf der Suche nach der richtigen Betonung bewegten. Unsicher darüber, wo sie lag, zogen sie es vor, zum nächsten Wort weiterzueilen, dabei hoffend, dass der Akzent weniger spürbar sein würde, wenn er halbherzig, gleichsam probehalber, gesetzt wurde.

Anfangs fiel ihm diese Unsicherheit nicht auf. In den ersten Jahren sprachen sie daheim fast ausschließlich Deutsch – die Sprache, in der sich die Eltern einst kennen gelernt hatten. Doch je älter er war, desto stärker wurde ihm bewusst, dass er weder war noch aussah wie seine Kameraden. An seinem Namen oder seinen dunklen Haaren ließ sich nichts ändern, aber er konnte zumindest darauf bestehen, dass Schwedisch die Sprache der Familie werden sollte. Als Vierjähriger setzte er seinen Willen durch. Danach war der Druck zwischen ihm und seiner Umgebung leidlich ausgeglichen. Die Zukunft als Schwede war gesichert.

Als er zwei Jahre später unter seinem Gletscher lag und der Großmutter lauschte, war die erste Sprache, die er als Kind gesprochen hatte, bereits zur zweiten Sprache geworden. Es fehlte ihr weder an Vertrautheit, noch an Stimmungen sowie an Gegenständen, die weiterhin nur auf Deutsch benannt werden konnten. Marillenmarmelade existierte bloß bei der Großmutter und nur in ihrer Sprache konnte man sich erlauben zu fragen: Waz, samma kompliziert? Dennoch fühlte er sich in dieser Sprache nicht mehr heimisch, sondern wie ein Fremdling. Wenn er jetzt sprach, geschah es mit Akzent. Tick-tacktick-tack … Die vertrauten Laute aus der Küche signalisierten, dass ein Mensch tat, was in seiner Macht stand, um sich durchs Leben zu schlagen, es jedoch wichtiger war, mit der Schiefheit leben zu lernen. Die gleichmäßige Verteilung von Bürden war eine utopische Angelegenheit. Jeder Schritt bildete einen weiteren Beweis dafür, dass eine schmerzfreie Lage, in der das Leichte das Schwere aufwog, nirgendwo zu finden war. Der Körper trug seinen fremden Akzent wie einen schadhaften Schatz.

Die Großmutter, eine gläubige Katholikin, hätte ihn sicherlich darüber aufklären können, dass Jakob sich die Hüfte ausrenkte, als er den Fluss Jabbok überqueren wollte. Er hatte bereits seine beiden Frauen, zwei Sklavinnen und elf Söhne hinübergeschickt, als er von einem Engel aufgehalten wurde. Das fremde Wesen versperrte ihm den Weg, die beiden begannen, miteinander zu ringen. Als der Engel merkte, dass er nicht gewinnen würde, schlug er auf Jakobs Hüfte. Dieser weigerte sich jedoch loszulassen, ehe er einen Segen empfangen hatte. Statt seinen hartnäckigen Gegner zu töten, gab der Engel ihm einen neuen Namen. Als Israel konnte Jakob durch den Fluss waten. Das neue Leben, das ihn am anderen Ufer erwartete, war nur um den Preis der alten Identität möglich. Sowie einer defekten Hüfte.

Später sollte der Junge feststellen, dass jemand, der wie seine Eltern – aus politischen oder anderen Gründen – sein Heimatland verlassen hatte, weder seinen Namen aufgeben, noch die Bürde als Ahnherr eines Stammes auf sich nehmen musste. Dennoch blieb der Zwang, eine Version seiner selbst zurücklassen zu müssen, ebenso wie das Gefühl, an einer Fraktur zu tragen – auch wenn sie bloß aus dem fremden Akzent der Zunge bestand. Niemand wanderte ein, ohne gleichzeitig auszuwandern – und riskierte damit etwas: Sprache, Freundschaften, lebendige Zusammenhänge. Kurzum: All das, was einen Menschen wiedererkennbar macht. Allerdings war dies die Erfahrung der ersten Generation. Für die nächste sah die Sache anders aus. Die von Soziologen als Einwanderer der zweiten Generation bezeichneten waren ja nirgendwoher migriert. Geboren in der Diaspora, verspürten sie keine Sehnsucht nach einer Zeit oder einem Ort vor dem Übergang. Wenn sie es dennoch täten, hätte es sich eher um hohle Nostalgie gehandelt. Als Kind identifizierte er sich mit dem Traum des Vaters, in sein Heimatland zurückzukehren, aber da er selber es nie besucht hatte, vermochte er diese Leidenschaft nicht mit Inhalt zu füllen. Oder um das Vokabular zu benutzen, dass die logischen Positivisten benutzt hatten, als sie sich im Café Central trafen, während die Großmutter einige Häuserblocks entfernt Kleider nähte: Er begriff die Bedeutung der Nostalgie der ersten Generation, aber nicht ihren Sinn. Für ihn blieb der Abendstern ein Abendstern.

Als der Junge älter wurde, erkannte er, dass es bei dem Versuch, sich zwischen tick und tack zurechtzufinden, in seinem Fall nicht darum ging, den Schwerpunkt vom einen auf das andere Bein zu verlagern, um ans andere Ufer zu gelangen. Zwar verband er das Wissen um die Entbehrungen der Eltern mit Schmerz, doch so real dieser auch war, hatte er die Opfer nicht selbst gebracht. Die Unsicherheit, die er erlebte, entsprang einem anderen Zwiespalt. Als Mitglied der zweiten Generation gründete sich seine Selbstwahrnehmung weniger auf einer Identifikation mit dem einen oder dem anderen Land, sondern eher auf dem Unterschied zwischen ihnen. Das Problem war der Umgang mit Sprache, die gleichzeitig zu wenig bedeutete und zu viel Sinn ergab. Die Quelle seiner Irritation als Kind war nicht die ewige Frage nach Gewinnen und Verlusten semantischer oder anderer Art gewesen. Sondern der Zwang, in eine Rolle zu schlüpfen, die er als ungerecht empfand. Als Sprachwesen befand er sich in einer anderen Situation als die Eltern. Manchmal fragte er sich, warum sie das nicht einsehen wollten. Oder warum er ein schlechtes Gewissen haben musste. Offenbar hatte er das Gefühl, seine Eltern zu enttäuschen, wenn er unfähig war, ihre Sprachen zu lernen. Oder richtiger: die des Vaters. Denn es war stets das Griechische, das ihm Steine in den Weg legte. Dort waren die Ansprüche beheimatet – in diesem schönen, aber schwer handhabbaren Idiom. Das Deutsch der Mutter war dagegen ein Wunder an Anspruchslosigkeit. Nicht nur, weil es beide Eltern sprachen, sondern auch, weil es immer möglich war, das Land zu besuchen, in dem es zu Hause war. Vor der Haustür seiner Großmutter standen keine Militärpolizisten.

Das halbe Jahr, das er bei ihr verbrachte, führte jedoch dazu, dass er danach nie vergessen würde, wie es sich anfühlte, ein Einwanderer zu sein. Die Schritte, die in der Küche ertönten, waren ein Lobgesang auf den fremden Akzent. Außerdem lehrten sie ihn, dass es eine Ordnung gab, die es verdiente, beachtet zu werden. Nur wenn auf gewisse Worte gewisse andere folgten, waren Haltung und Balance gesichert. Am deutlichsten zeigte sich dies, wenn die Großmutter sich an die Nähmaschine setzte. Sobald sie den Stoffdrücker herunterklappte und die Nadel auf und ab durch den Stoff lief – zuweilen in seitlichen Manövern, gelegentlich mit einem kurzen Schritt zurück –, empfand er einen seltsamen Frieden. Die Stoffteile wurden langsam, aber sicher vorgeschoben, während er die nachfolgende Naht betrachtete. Die Stiche erinnerten an Skispuren, aber vor allem erkannte er die Abdrücke wieder, die die Pferde im roten Sand der Hofburg hinterließen.

Zwischen den Händen der Großmutter schlängelte sich eine Linie, die alle Anzeichen von Vollendung aufwies – verspielt wie ein Wiener Walzer, diszipliniert wie ein mathematischer Beweis. Später begriff er, dass sie ihm gezeigt hatte, wie man mit beiden Seiten leben konnte – einerseits all den ticks, wenn die Nadel in das unergründliche Innere des Stoffes einsank, zu Regionen, die er mit dem Erbe der Eltern verband, andererseits den vielen tacks, wenn sie sich wieder hob und für einen kurzen Moment frei von Zusammenhängen schwebte. Der rhythmische Klang der Nadel war eine Version der Hüften seiner Großmutter. Es war möglich, sich im Fremden genauso heimisch zu fühlen wie als Fremder daheim. Es galt bloß, gemeinsame Sache mit dem Unterschied zu machen und sich an die Naht zu halten, die verschiedene Stoffteile gleichwohl teilte.

Aber noch war er erst sechs Jahre alt und interessierte sich nicht so sehr dafür herauszufinden, was in den Büchern in der Bibliothek des Großvaters stand, sondern dafür, wie man das Blattgold abschaben und gegen Schokoladenkugeln eintauschen konnte. Im Übrigen rief die Großmutter nun endlich seinen Namen. Barfuß verließ er den Gletscher und stapfte in die Küche. Tack-tack-tack-tack …


Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt