Vier Fragen über das mit dem Geld

19.iii.23

Wirtschaft ist ja in der Regel ein schwieriges oder wenig attraktives Gesprächsthema, aber ist es auch schwierig, darüber zu schreiben?

Es heißt, es sei schlechter Stil – oder, schlimmer, schlechte Erziehung –, über Geld zu sprechen. Aber mit der Wirtschaft ist es nicht anders als mit anderen Themen in der Literatur. Als Schriftsteller sollte man wissen, worüber man spricht. Der moderne Roman entsteht, als Geld zu einem Problem wird. Die ersten breiten Erzähler nach den Blaue Blume-Fantastereien eines Novalis oder Scotts Ritterromanen wandten den Blick vom Ausnahmemenschen zu Wesen, die im Grunde Nachbarn des Lesers sein konnten. Hugo, Balzac und Dickens – oder Trollope und Fontane ein paar Jahrzehnte später – wollten den Menschen in seinem sozialen Zusammenhang verstehen. Das ging nicht, ohne ihn auch als einen homo economicus zu deuten, einen »ökonomischen Menschen«, dessen Wirklichkeit ebenso sehr von Ziffern wie von Buchstaben bestimmt wird. Später sollte sich die Lage zuspitzen und zu naturalistischen Klassenanalysen und proletarierliterarischen Schilderungen von Aufzugfahrten aus dem Keller in obere Etagen führen, zu geschichtsmaterialistischem Sozialrealismus und anderem mehr, worin die wirtschaftlichen Bedingungen die psychologische Intimität häufig überumpften. Eine Reihe von Autorinnen – Colette, Keun, Klara Johansson – zeigten, dass die soziale Mobilität der Frauen eng mit wirtschaftlicher Selbständigkeit verknüpft war. Persönlich misstraue ich Romanen ein wenig, in denen die Beziehung der Hauptpersonen zu Geld kaum eine Rolle spielt. Die Figuren mögen aus Druckerschwärze und Zellulose bestehen, sie leben aber nicht von Luft.

Ist es schwer, über eine reiche Person zu schreiben oder zu lesen? (Werden hauptsächlich schlechte Charakterzüge mit Geld verbunden? Also Gier, Geiz oder vielleicht American Psycho-Verschwendung?)

Den meisten Schriftstellern fehlt nicht nur die Erfahrung von, sondern auch das Wissen über wahren Reichtum. Aber es gibt spannende Beispiele für vermögende Figuren. So etwa Gatsby in Fitzgeralds Roman über das glitzernde New York der 1920er Jahre, dessen überbordende Feste auf Long Island letztlich eine Art Traumabewältigung bilden (von Kriegserlebnissen, verlorener Liebe, seelischer Armut). Oder John Self in Martin Amis’ Gierig, der zwar in Alkohol mariniert ist, aber auch im Geld schwimmt – zumindest bis es in der Existenz bergab geht. Romane über Reichtum tendieren dazu, Geschichten über Verfall zu sein. Deshalb werden sie gerne zu (mehr oder weniger satirischen) Sittengemälden. Easton Ellis’ Roman über das Yuppiemonster an der Wall Street ist die logische Verlängerung des Genres: eine beißende Kritik an der Konsumgesellschaft, angetrieben von verdrehtem Selbsthass und verkleidet als postmoderne Gruselliteratur.

Und was ist der beste oder interessanteste Roman über Wirtschaft?

Ich habe eine Schwäche für Knut Hamsuns schmales Buch Hunger. Vielleicht, weil ich diesen umgedreht heroischen Roman über existentielles Scheitern in einem Alter las, als ich trotz meines Studiendarlehens chronisch pleite war. Geschrieben auf der Schwelle zur Modernität (1890) schildert das Buch nicht nur, »das Wispern des Bluts und die Gebete des Knochenmarks«, wie Hamsun das Thema formuliert, sondern auch, was es bedeutet, als Schriftsteller ein soziales Wesen zu sein, gezwungen, mit Worten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die namenlose Hauptperson bildet einen der Prototypen für die schreibenden Wesen des zwanzigsten Jahrhunderts (Woolfs Frau mit eigenem Zimmer wäre ein zweiter, Kafkas im Voraus verurteilter Junggeselle ein dritter.) Hamsuns Alter Ego lebt in Übereinstimmung mit einem inneren Ritteretikett, das mit der Umgebung nicht mehr kompatibel ist. Er schenkt Kindern und denen, die ärmer sind als er, Geld und Kleider, lehnt aus Stolz Essen ab und zeigt sich selbst an, nachdem er gezwungen war zu stehlen. Aber diese Selbstdestruktivität, bedingt von einer Gesellschaft, die weder ein Interesse an ihm noch einen Platz für ihn hat, ist nur der Anfang der Misere. Man muss nicht Marx gelesen haben, um zu wissen: ohne Knete nichts zu futtern. Das Leben zehrt buchstäblich an der Hauptperson, und rasch frisst sich die Schutzlosigkeit in seinen klapprigen Leib. Er verpfändet die Knöpfe an seinem Jackett, aber die Magensäure brennt, das Zahnfleisch entzündet sich. Blind für die wirklichen Faktoren stolpert er über seinen idiotischen Hochmut, seine Unfähigkeit, sich anzupassen, seinen Hang zu Missverständnissen – und mustert auf den letzten Seiten des Buchs auf einem Schiff an und verlässt die Stadt, in der er niemals Fuß gefasst hat. Grandioser lässt sich wirtschaftliche Misere kaum schildern.

Und was macht einen Roman über Wirtschaft GUT?

Die kurze Antwort: dass das Thema seinen passenden Ausdruck gefunden hat. Schließlich gibt es auch eine Ökonomie des Stils. Als Schriftsteller gilt es, mit seinen Mitteln hauszuhalten. Johan Klings Människor helt utan betydelse (Menschen ohne jede Bedeutung), dieser Kurzroman über einen bankrotten Freiberufler während einiger Sommertage in Stockholm vor der Jahrtausendwende, ist eine feine Studie über die Bedeutung des Geldes für das Selbstwertgefühl. Der Stil ist nüchtern auf eine Weise, wie Armut umgesetzt in Literatur vielleicht sein muss. Als Leser kommt es darauf an, sich auch damit auseinanderzusetzen, was nicht da ist – will sagen: zwischen den Zeilen zu lesen. Kling ist gut darin, das Kapital des Unausgesprochenen zu verwalten.

Ein anderes Beispiel wäre Katherine Faws Ultraluminous von 2017, eine Rasierklinge von einem Roman, der von einer jungen Frau handelt, K, die nach einem Jahrzehnt in Dubai nach New York zurückkehrt, wo sie davon lebt, ihre Haut zu Markte zu tragen, wie es früher hieß. Geschrieben in kristalliner Prosa – schroff, frech, souverän – schildert sie, wie man als Frau in einer spätkapitalistischen Gesellschaft überlebt. Auch das – das Agens einer Frau – ist natürlich eine Frage der Ökonomie.

(SVT Babel am 19. März 2023)